Spatial Manifestation
Die Gruppenausstellung "Standard International #5: Spatial Manifestation" im Gründerzeitensemble GLINT in Berlin-Mitte zeigt Skulpturen, Plastiken und Environments, die für eine charakteristische Materialästhetik vor allem der Berliner Nachwendezeit stehen. Vom Berliner Kurator Rüdiger Lange zusammengestellt, manifestieren sich in den gezeigten Werken in künstlerische Formen umgesetzte räumliche Erfahrungen dieser Jahre.
Teilnehmende KünstlerInnen:
Karsten Konrad, Sabine Hornig, Inken Reinert, Axel Lieber, Eberhard Bosslet, Andrea Pichl, Tilman Wendland, Flurin Bisig, Ina Weber, Franka Hörnschemeyer, Vanessa Henn, Manfred Pernice, Wanda Stolle, Stephanie Backes, Frank Coldewey
Dass sich das Aussehen Berlins in den letzten Jahren in besonderer Weise gewandelt hat, lässt sich alleine an der Veränderung von Begriffen ablesen, die urbane Prozesse begleiten: Was vor 20 Jahren noch "Brachfläche" hieß und großflächige innerstädtische Areale meinte, schrumpfte vor wenigen Jahren zur "Baulücke" und findet sich derzeit in Begriffen wie "Ausbau", "Nachverdichtung" und "Aufstockung" wieder.
So wie diese Begriffe die Vorstellung des Baugeschehens in der Stadt prägen, sind sie auch Zeugnis davon, wie sich die künstlerische Auseinandersetzung mit der Gestaltbarkeit urbanen Innen- und Außenraums insbesondere vom Berlin der Nachwendezeit bis heute wandelte: Die Brachflächen - selbst noch die Baulücke - als Ort ästhetischer Betrachtung, als Materialfundus oder als Projektionsfläche für historische und utopische Gedankenspiele bot Künstlern einen Freiraum, durch den eine für Berlin charakteristische spekulative Beschäftigung mit Konstruktion, mit Form, mit Farbe, mit Material, Oberfläche und Haptik möglich wurde. An den Tagen und in den Nächten changierte man zwischen dem frisch früheren Ost- und dem frisch früheren West-Berlin, und so manches Eröffnungsgespräch entspann sich anhand der Betrachtung eines für diese Zeit typischen künstlerischen Werkmaterials an der Frage: Ist es "Sprelacart" (Ost) oder "Resopal" (West)
Der Berliner Kurator Rüdiger Lange (loop raum für aktuelle kunst), der zuletzt (2018) mit den Gruppenausstellungen "Like Home" und "Like Home Extended", sowie mit der vielbeachteten Reihe „Standard International" programmatisch die Räumlichkeiten des neoklassizistischen Objekts GLINT an der Ecke Glinka-/Taubenstraße in Berlin-Mitte bespielte, zeigt nun unter dem Titel "Standard International #5: Spatial Manifestation" eine Gruppenausstellung die auf diese Berliner Zeit fokussiert.
Die mit dem Titel gemeinte "Räumlichkeit" bezieht sich dabei sowohl auf die Frage, ob die gezeigten Arbeiten als Skulptur, als Plastik oder als Environment zu sehen sind als auch auf die die Entstehung dieser Arbeiten bedingenden Außen- und Innenräume eines mittlerweile fast vergangenen Berlins. Gleichzeitig verweist der Begriff der "Manifestation" nicht so sehr auf eine kunstgeschichtliche Behauptung, die sich in dieser Ausstellung versinnbildlichen oder materialisieren würde, als vielmehr auf den handgreiflichen Charakter der Arbeiten: Den 15 beteiligten Berliner Künstlerinnen und Künstlern ist entweder eine spezielle Reflektion über Materialästhetik oder eine poetisch-materielle Reflektion über räumliche Aspekte zu eigen, die sich aus entsprechenden Beobachtungen, entsprechenden stadträumlichen Erfahrungen in Innen- und Außenräumen insbesondere der letzten Berliner Jahrzehnte speist. Die Stadt befand sich sich im Auf-, aber auch im Abbruch; auch davon zeugen die Arbeiten.
Die atmosphärisch zwischen den Zeiten (Gründerzeit, DDR, Berliner Republik) schwebenden Räumlichkeiten des Gründerzeitensembles GLINT übernehmen dabei die Qualitäten einer Zeitmaschine, gehören sie doch zu den wenigen Räumen in Berlin-Mitte, die sich bisher den schroffen Nachwendecharme erhalten haben, der für viele der gezeigten Arbeiten die zeitgeschichtliche Folie darstellt, vor der sie entstanden.
Rüdiger Lange